Im Sattel ans Meer – von Menschen, Pferden und Begegnungen
Heute stellen wir dir unsere Mitarbeiterin Vroni vor, die sich mit ihrem Pferd auf eine weite Reise ans Meer gemacht hat. Frei nach dem Motto „Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“ stürzte sich Vroni in ein Abenteuer voller inspirierender Begegnungen, kleiner bedeutsamer Momente und einer entschleunigten und aufregenden Reise zum Meer – und letztlich auch irgendwie zu sich selbst. So viele Erlebnisse boten sogar genug Stoff für ein Buch, das die beiden über ihre Reise schrieben.
Wir freuen uns sehr über Vronis ehrliche und spannende Geschichte im Interview!
1800 km in 6 Monaten. Vom Bodensee nach Spanien. Wie kamst du auf die verrückte Idee, dich mit deinem Pferd auf so ein Abenteuer zu begeben?
In mir war schon immer der Wunsch, eine größere Reise zu machen und längere Zeit unterwegs zu sein. Ich habe meine Wohnung und meinen Job gekündigt, um wirklich loszulassen, alles hinter mir zu lassen, um das Gefühl von Freiheit spüren zu können. Ich war bereit, loszuziehen, doch dann wurden meine Pläne gekreuzt und es sollte sich alles ändern.
Schon mein Leben lang reite ich und liebe Pferde. Plötzlich wurde mir mein eigentliches Pflegepferd zum Kauf angeboten – das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.
Und so kam die Idee, dass ich mein Pferd einfach mit auf die Reise nehme und wir gemeinsam losziehen. Der Gedanke hat sich so schön angefühlt und die Form des Reisens wurde natürlich maßgeblich geändert: von großen Distanzen und neuen Welten zu einem sehr langsamen Vorankommen und dadurch auch einem intensiven Wahrnehmen landschaftlicher Veränderungen.
Diese Tour ist eine Wanderreit-Tour, die von zwei Reitern mit ihren Pferden begangen und kreiert wurde. Routenverlauf: Freiburg im wunderschönen ...
Was für eine schöne Vorstellung, aus eigener Kraft mit meinem Pferd in ein Land zu laufen, in dem ich noch nie war. Begleitet hat mich übrigens mein Partner, der dafür Reiten gelernt und sich ein eigenes Pferd gekauft hat. Nach einer kleinen Probe-Tour zogen wir voller Euphorie und Neugierde zu viert los...
Wie kann man sich das genau vorstellen? Ihr zwei auf den Pferden inklusive Gepäck?
Die Idee war, dass wir das Gepäck während der Reise zwischen den Pferden abwechseln. Das heißt: Ein Pferd trägt das Gepäck, auf dem anderen konnten wir abwechselnd reiten. Dieser Wechsel ist wichtig, da totes Gewicht (Gepäck) sich auf dem Pferd nicht aktiv mitbewegt. Das ist auf Dauer anstrengender für das Tier und daher muss immer wieder Erholung für den Rücken gewährleistet werden. Leider bekam unser Kaltblut Max aber relativ bald Probleme mit seinem Sattel und wir mussten dieses Konzept über den Haufen schmeißen. In dieser Zeit trug unser Haflinger Apollo das Gepäck und Max wurde geschont. So liefen wir zunächst einfach neben den beiden Pferden her. Das hat mich auf eine Art süchtig gemacht, so dass ich, selbst wenn bald die Möglichkeit des Reitens wieder bestand, es vorzog, zu laufen. Und so hatten wir unsere Art des Reisens gefunden. Das Gepäck haben wir später unter beiden Pferden aufgeteilt und sind neben ihnen gelaufen.
Sidenote
Das Gepäck für die Reise:
Neben dem üblichen Fernwandergepäck (Zelt, Schlafsack, Verpflegung, Wasser, Kochutensilien, Kleidung, Erste-Hilfe-Set) hatten Vroni und Steffen für die Pferde noch etwas Hafer und Elektrolyte dabei. Außerdem transportierten sie für die Stromversorgung ihrer Handys ein Solarpanel, das sie tagsüber zum Laden offen auf die Pferde schnallten. Auch das Zubehör für den Weidepaddock inklusive Akku und Zaunstangen ist nicht zu unterschätzen.
Thema Grundbedürfnisse: Wo schliefen die Pferde und ihr und wie habt ihr das mit der Ernährung gemacht?
Wie die Pferde unterwegs übernachten können, hat mich im Vorhinein auch sehr beschäftigt und ich habe von vielen verschiedene Möglichkeiten gelesen. Wir haben uns für einen mobilen Weidepaddock entschieden: Stromgerät, Weidepfosten, Litze. Wahrscheinlich die schwerste und platzeinnehmenste Variante, aber dafür auch die meiste Freiheit für die Pferde. Für uns war es simpel: Zelt und Schlafsack oder der freie Sternenhimmel.
Und zur Verpflegung: Die Pferde konnten überall am Wegesrand und abends auf den Weiden Gras fressen. Aber auch Hafer und Mineralfutter sind wichtig, da die Pferde viel schwitzen und unterwegs nicht die nötigen Salze finden. Das haben wir selbst mitgebracht. Und das menschliche Menü bot meist simplen Couscous mit Tütensuppe, mal ein Stück Käse, mal eine Karotte. Hauptsache leicht und gut im Packmaß, um nicht unnötig Gewicht auf die Pferderücken zu verteilen. Und die Natur bietet genug Kräuter, um Varianz und Frische ins Essen zu bringen.
Wie sah eure Planung im Vorhinein aus?
Man kann so eine lange Reise nicht Tag für Tag vorausplanen. Unser Ziel befand sich im Südwesten – meist haben wir uns einfach nur an die Himmelsrichtung gehalten und unsere Route täglich neu mit Outdooractive geplant.
Sidenote
Als ich ein paar Jahre nach meiner Reise erfahren habe, dass Outdooractive einen UX-Designer sucht, war ich begeistert. Es ist eine Ehre für mich, an einem Produkt mitzuwirken, das ein unverzichtbarer Begleiter meiner Outdooraktivitäten und Wanderritte geworden ist und das ich dank meiner Reise sehr gut kennenlernen konnte.
Bewundernd, amüsiert oder ängstlich? Wie sind die Menschen euch begegnet?
Uns war es ganz wichtig, die Menschen an den Orten, wo wir über Nacht bleiben wollten, zu fragen, wo wir uns aufhalten können. Auf keinen Fall wollten wir uns einfach auf fremde Wiesen stellen und somit womöglich Ärger oder Frust verursachen. Ganz am Anfang der Reise konnte ich mir das nie vorstellen, für so etwas auf fremde Menschen zuzugehen.
Wir waren vor allem in Frankreich und ein bisschen in Spanien unterwegs. Hier haben uns so viele Menschen mit offenen Armen und Türen empfangen! Zum Teil wurden wir gleich zum Essen nach Hause eingeladen und durften so spannende Geschichten hören, uns inspirieren lassen und selbst inspirieren und ein Stück unserer Reise bei ihnen lassen. Dieses ungeplante Reisen hat uns zu Orten geführt, die wir uns nie hätten erträumen können.
Eine Begegnung ist mir sehr im Kopf geblieben: In einem kleinen Dorf lud uns ein Mann zu sich in den Garten ein. Und irgendwie war er so fasziniert von uns und den Pferden – er setzte sich einfach mit etwas Abstand in den Garten und beobachtete. Später erfuhren wir, dass er selbst auch den Traum einer langen Reise hatte, der sich aber aus verschiedensten Gründen nie verwirklichen ließ. Als wir gegangen sind, sahen wir ein Strahlen in seinen Augen und er sagte: Ich werde diese Reise machen! Und ich war so bewegt und berührt, dass wir diesen Mann so angesteckt haben.
Erzähl uns doch von einem deiner schönsten Momente auf eurer Reise!
Was mich sehr bewegt hat, war zu spüren, wie wir als Team immer weiter zusammenwuchsen. Wie unterschiedlich wir waren, als wir gestartet sind und dann irgendwann eine Einheit bildeten. Was für mich so ein bewegender Moment war, war in Südfrankreich: Alles fühlte sich eingespielt an, auch die Pferde haben ihren Platz gefunden und die Kommunikationswege wurden immer klarer. Als wir gerade an einem Fluss vorbeikamen, fuhr der Bauer mit dem Traktor vorbei, dem das Land gehörte. Er bat uns an, dort zu schlafen. Wir entdeckten einen wunderschönen Sandstrand am Flussufer. Mein Pferd ist eigentlich sehr wasserscheu, aber auf einmal spürte ich den Impuls, mit ihm da rein zu gehen. Und es ist ohne Zögern mit mir mitgekommen und in diesem tiefen Wasser geschwommen. Das war für mich ein so ergreifender Moment, in dem ich einfach verstanden habe, wie verbunden wir gerade alle sind.
Sidenote
Wir haben damals, relativ am Ende unserer Reise, zwei Waisenkätzchen auf einem Bauernhof in den Pyrenäen gefunden. Dort haben wir lautes Maunzen aus einer Scheune gehört – als es am zweiten Tag immer noch so laut gemaunzt hat, haben wir nachgeschaut. Ein kleines Kätzchen ist uns in die Hände gesprungen, das sehr ausgehungert wirkte. Wir haben dann den Bauern gefragt, was mit dem Kätzchen jetzt passiert. Der Bauer war super nett, hat aber ehrlich zugegeben, dass er sich nicht um sie kümmern würde, weil er keine Zeit hat (ist ja auf Bauernhöfen oft so). Er meinte, wieso wir sie nicht einfach mitnehmen. Ich konnte das Kätzchen nicht einfach in dem Wissen zurücklassen, dass es vielleicht (oder ziemlich sicher) sterben wird. Und so haben wir überlegt, wie wir die Kätzchen mitnehmen könnten. Der Bauer hat uns dann eine Kiste gebaut, die wir auf eines unserer Pferde geschnallt haben. Ich hatte anfangs große Zweifel, wie und ob das funktionieren wird, weil Katzen ja sehr eigenwillig sind und wir sie gerne auch frei laufen lassen wollten. Aber sie haben super schnell die Kiste und uns als ihr Zuhause anerkannt und sind immer wieder zu der Kiste zurück gekommen, wenn wir sie in den Mittagspausen und am Abend frei herumspringen ließen.
Gab es irgendwelche einschneidenden oder gefährlichen Erlebnisse auf eurer Reise?
Zu jeder Reise gehören auch die Tiefen, das war mir von Anfang an klar. Wir haben einige Täler durchschritten. Was für mich auf der Reise eine sehr große Herausforderung war, waren meine eigenen Grenzen. Ich habe immer wieder gespürt, dass ich nicht mehr konnte und mein Körper einfach nicht mehr mitmachte. Vor allem in der Hitze bin ich zum Teil in der Sonne zusammengebrochen, konnte weder vor noch zurück. Die Reise hat mir Dinge aufgezeigt, die ich von mir selbst davor noch nicht kannte und mich gelehrt, Lösungen zu finden und mit gewissen Situationen entsprechend umzugehen. Abgesehen von den persönlichen Erlebnissen hatten wir aber auch einige Unfälle auf unserer Reise, wo das Glück einfach nicht auf unserer Seite war.
Zum Beispiel ist mein Pferd in den Pyrenäen in ein Wespennest getreten und an einem schmalen Bergpfad losgedonnert. Ich fand es einige Kilometer im Wald inmitten der zerrissenen Satteltaschen und unserem zerstreuten Hab und Gut wieder. Mein Pferd zitterte und war blutüberströmt und stand nur noch auf drei Beinen da. Und jetzt? Kein Handyempfang und mitten in den Bergen. Wir verarzteten das Tier mit dem Material, das wir dabeihatten, legten ihm eine Rettungsdecke über und kamen erstmal alle runter.
Aber unser wichtigstes Element, nämlich die Taschen, in denen verstaut ist, lag in Fetzen vor uns. Mich hat überrascht, wie lösungsorientiert zu denken ich auf dieser Reise gelernt habe. Es geht immer weiter. In dem Fall habe ich die Packtaschen einfach selbst wieder zusammengenäht. Dann mussten wir alle die Zähne zusammenbeißen und langsam wieder ins Tal absteigen. Im Dorf angekommen war das Glück wieder mit uns und wahnsinnig nette Menschen baten uns an, bei ihnen zu bleiben, bis alles wieder geheilt war.
Habt ihr nach eurem letzten Abenteuer noch weitere solche Reisen gemacht oder habt ihr schon neue Pläne?
Tatsächlich hat mich das Reisefieber total gepackt, weil ich hier erkannt habe, wie heilend und erdend so eine Reise für mich ist. Im Rhythmus der Natur und ganz langsam. Auch das Erlebte nimmt man so intensiv wahr und hat Zeit, es zu verarbeiten. Und so bin ich süchtig danach geworden, mit meinem Pferd die Gegend zu erkunden. Letzten Sommer war ich mit meinem Pferd und einer Freundin quer durch Deutschland unterwegs. Wie faszinierend, was ich noch alles Neues entdecken konnte! Der Zauber liegt oftmals im Detail und das erkennt man am besten bei der intensiven und entschleunigten Art des Reisens mit Pferd.
Was soll ich sagen, ich liebe diese Art zu Reisen einfach.
Das Vertrauen, die Kommunikation, die nach außen schon gar nicht mehr sichtbar ist und diese tiefe Verbundenheit zwischen uns ist zu einer Freundschaft zwischen Mensch und Tier geworden.
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